Reflections from abroad

Lost in Translation

Verloren zwischen den Welten

Vor einem halben Jahr befand ich mich in der aufregenden Phase, einen Neuanfang vorzubereiten. Dinge mussten dabei abgeschlossen werden, aufgegeben, verlassen, beendet, geleert…damit Platz für etwas Neues entstehen konnte.. Ich wollte nämlich nach England ziehen, um dort in einer für mich besonderen Firma zu arbeiten.

Soviel Krims Krams, der sich in unglaublicher Geschwindigkeit immer wieder ansammelt. Unmengen Bücher, lose Klaviernoten, Farbtuben, jede Menge Pinsel, Geschirr, Tupperdosen ohne passenden Deckel, Klamotten, alte Liebesbriefe, leere und volle Schreibbücher, Kosmetikkram, …Schalen, Vasen, Strandzeug, Stoffe, Saris, Tücher, Wolle, Stricknadeln, CD’s usw., usw…

Es war mein 6. Umzug in 7 Jahren. Da bleibt schon eine Menge auf der Strecke. Die materielle Welt reduziert sich und trotzdem bleibt immernoch genug übrig. Ich habe jede Menge Dinge über Bord geschmissen, weggeworfen, aufgegeben, losgelassen, manches fiel mir schwer, mein Herz hing daran…Ich habe mir keine Gedanken darüber gemacht,  dass jedes Ding auch ein Wort besitzt und jedes Wort verknüpft ist mit einer Emotion, und ist sie auch noch so klein…Das lässt die Welt auf eine Art realistisch werden. Sie wird begrifflich begreifbar und die Einzelteile in Form von Worten lassen sich zu einer emotional eingefärbten Geschichte zusammenfügen, die wir uns und anderen dann erzählen und ein Leben daraus machen.

Worte ohne Klang

Aber das verlor ich in dem Moment, als ich in England ankam. Ich fand mich mich in einer Welt wieder, in der für mich die Begriffe für die Dinge einfach nur Worte sind und keinerlei Emotionen auslösen, geschweige denn eine Geschichte erzählten. Bedeutet doch ein „Vogelgezwitscher“ etwas ganz anderes für mich als ein „birdsong“. In einem „Vogelgezwitscher“ öffnet sich für mich eine bunte Welt von Farben, Licht und Tönen, von Temperaturen und Gerüchen. Ich „sehe“ Frühling, „höre“ morgendliche Wälder, „spüre“ den warmen Sommerwind auf meiner Haut und „rieche“ das Meer unter den Schwalben. Aber das Wort „birdsong“ ist nur eine Art Geräusch für meine Ohren, es ergibt keine Geschichte in mir. Es lässt sich mit nichts verknüpfen. Es bleibt einfach ein Wort ohne Inhalt.

Wie sollte ich „mein Leben“ mit den anderen teilen wenn mir keine klingenden, eine Geschichte erzählenden Worte gelangen? Und wie konnte ich Anteil nehmen an dem Leben der anderen, wenn in mir nichts anklingt?

Ich war darauf nicht vorbereitet, dass sich meine Welt schlagartig verwandeln wird. Ich fiel aus einem bunten Traum in eine ziemlich trockene, nüchterne Welt voller unbekannter Worte und Begriffe. Mein Englischwortschatz ist zudem nicht allzugroß. Also fehlte mir für vieles auch noch das…. Eigentlich war es eine unglaubliche Chance, der Welt die Etiketten abzuziehen und sie in ihren Manifestationen einfach so wahrzunehmen. Pur. Ohne ständige Beschreibung und ohne den nervigen Kommentar, den unser Verstand pausenlos und ungefragt abgibt. Ein Desillusionierung, um einer tieferen Wahrheit in den Dingen zu begegnen. Spontan und ohne Geschichte…

Aber ich bin „lost“ gegangen in dem Bemühen, mir die Welt aus dem Englischen ins Deutsche zu übersetzen, um mir so ein Leben zu erhalten, was für mich Sinn ergibt. Und ich bin gescheitert mit dem Versuch, den anderen zu erklären, wer ich bin und was ich alles kann. Ich konnte mich auf einmal nicht mehr „verkaufen“ und anpreisen. Wie beschämend! Ich landete in einer Art Zwischenraum, in einer world between…..Gespräche mit anderen führten zu Mißverständnissen, manche waren lustig, andere sehr schmerzhaft…es war schwierig für mich, verbunden zu fühlen mit dem Außen. Und nach und nach verlor ich das Gefühl für diejenige, die ich dachte zu sein. All das löste ein tiefes, dunkles Gefühl von Alleinsein aus.

In ein fremdes Land zu ziehen und nur wenig vertraut zu sein mit der dortigen Sprache, verlangt noch einmal ein anderes Loslassen. Es verlangt ein Aufräumen im Kopf, ein Loslassen von Geschichten um die Dinge herum, ein Leeren der inneren Erlebniswelt, und ein Zurücklassen der eigenen Geschichte.

Ich musste mich selber irgendwie loslassen.

Ich musste erlauben, von einer Jemand zu einer Niemand zu werden. Das war unsagbar schwer. Mich selber in Form der eigenen Geschichte loszulassen und wie ein weißes Blatt Papier zu sein, eröffnete unter meinen Füßen einen Abgrund, in den ich ungebremst hineinstürzte. Dieses Fallen fühlte sich an wie Scheitern und das Gefühl am Ende wie ein Zerschellen in viele Einzelteile. Es ist eine große Herausforderung, den Versuch aufzugeben, alles wieder zu einem schönen, erfolgreichen, glitzernden Image zusammenzusetzen und dem Leben zu erlauben, seine Geschichte in mich hineinzuschreiben.

Nach einem ganzen halben Jahr bin ich zurück gekehrt nach Deutschland. Ein Arbeitsvisum zu bekommen, war schier unmöglich. Es tauchten ungeahnte Schwierigkeiten auf und nichts schien klappen zu wollen. Jetzt bin ich wieder hier. Es ist schön. Es tut gut. Es geht leicht. Es fühlt sich merkwürdigerweise wie eine Vollendung von etwas an.

Und es fühlt sich endlich nach Neuanfang an. In mir. Das Leben kann eine neue Welt in mich hineinschreiben. Ich bin jetzt soweit. Denn sobald ich Worte denke oder schreibe, verlieren sie kurz darauf ihren Inhalt und alles wird wieder leer wie weißes Papier. Lost in translation und angekommen in the world between….hier beginnt eine ganz neue Geschichte, wenn ich dazu Lust habe

Wir sind nicht hier, um uns zu entdecken. Wir sind hier, um uns neu zu erfinden, immer wieder…

(„Gespräche mit Gott Teil 1“ von Neale Donald Walsch)
Lost in Translation

Geboren 1968, mittlerweile im Norden Deutschlands lebend, lernend, lehrend, schreibend, bin ich Lebenskünstlerin, Menschenliebhaberin und leidenschaftliche Gärtnerin...gesegnet mit Kindern, Katzen, Pferd und besonderen Menschen an meiner Seite...