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Büchergarten-Tipp 3

Wenn wir mit einem Herzen voller Liebe in die Öffentlichkeit gehen, wird uns tiefer Kummer nicht erspart bleiben. Wenn wir neue, innovative Dinge ausprobieren, werden wir zuweilen scheitern

Laufen lernt man nur durch Hinfallen. Scheitern ist nicht gleich Misserfolg. Es ist Katalysator für’s Gelingen.

Heute antwortete mir eine Freundin auf die Frage, wie es ihr denn gerade erginge: „Wenn ich ehrlich bin geht es in meinem Innenleben gerade auf und ab, unerwachsenes Verhalten, Freude, Traurigkeit, mich unverstanden fühlen…wobei das Verstehen von allem gar nicht mehr notwendig wäre…, dass ich es akzeptieren kann, das würde ich mir wünschen.“

Oh ja, das kenne ich gut! Ist es nicht so, dass wir die Auf’s sehr gerne hinnehmen, während die Ab’s in uns ein Gefühl hinterlassen, dass wir irgendetwas nicht kapiert und es deswegen vermasselt haben? Und dann wird es schwierig mit der Ehrlichkeit, vor allem zu uns selbst. Wir ringen uns ein „Wenn ich ehrlich bin…“ über die Lippen, vielleicht einer Person gegenüber, von der wir sicher wissen, dass diese auch jede Menge Ab’s vorweisen kann. In der kurzen Nachricht meiner Freundin sind viele Information über die Schreiberin zu finden: Da gibt es ein Zugeständnis, die eigene, wahrscheinlich überhöhte, Benchmark verpasst zu haben. Ich kann auch ihre Scham über den eigenen orientierungslosen Zustand zu spüren. Und ich kenne die Frustration über das Gefühl, den Dingen zu ausgeliefert zu sein, sehr geanu. Zuletzt lese ich auch ein Bedürfnis, sich mit all den inneren Gezeiten, Wind und Wettern auszusöhnen, sich ihnen hinzugeben und sie so anzunehmen, wie sie kommen und auch wieder gehen. Aber wie macht man das? Wie kommt man in das Auge des Sturms? Wie findet man Frieden mit all den Auf und Ab’s?

In meinem Fall musste ich erkennen, dass der Weg dahin nur durch den Sturm führt und dass Gelingen nur durch regelmäßiges Scheitern möglich ist: Trial and Error!

Und da fällt mir eines der ermutigendsten Bücher für dieses Lebensthema ein:

„Laufen lernt man nur durch Hinfallen“

Autorin: Brené Brown / 2016 / Kailash Verlag München / 340 Seiten

Brené Brown beginnt ihr Buch mit einer Widmung: „Für die Mutigen und die mit gebrochenen Herzen, die uns gelehrt haben, wie man nach einer Niederlage wieder aufsteht. Euer Mut ist ansteckend.“

Und sie trifft damit gleich einen Nerv beim Leser, der das Buch sicher nicht auf dem Nachtisch liegen hat, weil er sein Leben gerade als ein Wandeln im Paradies empfindet. Es braucht nämlich Mut, sich dem Leben voll und ganz hinzugeben…

Der indische Meister OSHO sagte dazu einmal: „Leben kann auf zwei Weisen gelebt werden. Entweder als ein kontinuierlicher Fall – dann unterliegst Du den Gravitationskräften und Du brauchst keinerlei Anstrengung zu unternehmen. Du versuchst dann nicht, irgendwelche Höhen zu erreichen. Du bist einfach wie ein abwärtsrollender Stein. Das erscheint selbstredend als einfacher, komfortabel und bequem. Wenn Du konform bist mit der Gesellschaft, wenn Du nach den Traditionen lebst, wenn Du der Masse folgst, dann ist das Leben leicht – aber zu einem hohen Preis: Du wächst nicht! Und Du verpasst den eigentlichen Punkt dabei, denn Leben bekommt nur eine Bedeutung, wenn es ein beständiges Wachsen ist…“ ( aus ‚Discover the Buddha – Awake forever‘ )

Und ein Leben in Fülle und mit einem beständigen Wachstum ist nur möglich, wenn wir uns für viele verschiedene Erfahrungen öffnen. Öffnung bedeutet gleichzeitig auch, sichtbar zu werden mit den „Weichteilen“ von uns – mit unseren innersten Gefühlen – und dadurch auch verletzlich sein.

Wenn wir uns zeigen, so wie wir wirklich im Innersten sind, werden wir mit großer Wahrscheinlichkeit, und meistens ohne böse Absicht, von anderen verletzt. Wir ecken an, stolpern, fallen hin. Das tut weh, oft sogar sehr.

Wie wir zu echter innerer Stärke finden

Brené Brown hat mit ihrem dritten Buch ihren roten Faden durch einen Sehnsuchtsprozess, das Leben aus ganzem Herzen zu leben, weitergesponnen. In den „Gaben der Unvollkommenheit“ lädt sie uns ein, immer authentischer zu leben, wir selbst ganz und gar zu sein. In dem Buch“ Verletzlichkeit macht stark“ geht es um die Überwindung der Scham als größte Zerstörerin unserer Kreativität.

In diesem Buch hier spricht sie von einen radikalen Perspektivwechsel. Krisen und das große oder kleine Scheitern unserer Lebenspläne sind keine Indizien für Versagen, sondern für Mut, Kreativität und die Entscheidung, das Leben nicht als abwärtsrollender Stein zu leben.

Diese Buch ist das Ergebnis professionellen Forschens über die Gesetzmäßigkeiten inneren Wachstums und es ist in einem sehr unterhaltsamen und oft witzigen Schreibstil verfasst. Brené Brown nimmt eine Vielzahl persönlicher Situationen zur Hand, um die eigentlichen Aspekte, um die es ihr geht, für uns erfühlbar zu machen. Und so ist eine Art Leitfaden entstanden, der uns Hilfe anbietet, vom Urteil anderer frei zu werden. Er kann uns darin unterstützen, die eigenen Grenzen auszudehnen und uns für Mut, statt für Bequemlichkeit zu entscheiden, uns für das zu entscheiden, was sich richtig anfühlt und unsere eigenen Werte auch zu leben, statt sie nur zu verkünden. Er ermutigt uns, Größe zu zeigen und dabei Grenzen und Integrität zu bewahren. Er zeigt uns einen Weg, wie wir lernen können, mutig und aufrichtig zu uns selbst zu stehen. Und wie wir aufstehen können, wenn wir gestolpert sind, oder uns jemand ein Bein gestellt hat, und uns den Staub aus den Sachen klopfen, um dann weiter unseres Weges zu gehen.

Kummer, Enttäuchung, Schmerz – Wegweiser zur Bergspitze

Zitat S.19: “ Wenn wir mit einem Herzen voller Liebe in die Öffentlichkeit gehen, wird uns tiefer Kummer nicht erspart bleiben. Wenn wir neue, innovative Dinge ausprobieren, werden wir zuweilen scheitern. Wenn wir Fürsorglichkeit und Engagement riskieren, werden wir Enttäuschungen erleben. Es spielt keine Rolle, ob die Ursache der Verletzung eine schmerzhafte Trennung oder etwas Triviales wie der abschätzige Kommentar eines Kollegen oder ein Streit mit den Schwiegereltern ist. Gelingt es uns, uns behutsam durch diese Erfahrung hindurchzutasten und die Verantwortung für unseren inneren Kampf zu übernehmen, können wir etwas Großes wagen und unser eigenes mutiges Ende schreiben. Wenn wir unsere Geschichte anerkennen, vermeiden wir es, zu passiven Figuren in den Geschichten anderer zu werden…“

Von Kanalratten und Regelbrechern

Zitat S.146: „Sie ( Anmerkg.: damit ist die Therapeutin von B.Brown gemeint) schaute mich nur mit einem offenen gesichtsausdruck und einer Art lächeln an. das war nicht die Reaktion, die ich haben wollte. Schließlich sagt ich: ‚Wissen Sie, das mit dem Leben aus vollem Herzen und dem spirituellen erwachen ist schön und gut. Ich bi damit einverstanden. Es gefällt mir sogar. Außer wenn es um Kanalratten und Regelbrecher geht. Diese Leute kann ich nicht ausstehen.’…Diana blieb offen und freundlich. Das war unsere Art von Zusammenarbeit. Sie bot mir einen urteilsfreien raum, und ich füllt ihn mit jedem Gramm ungefilterter emotion, die aus mir herauswollte. Dann machten wir uns ans Sortieren.

Ohen Urteil und ohne Wertung sagte sie: ‚Ich sehe, dass Sie wirklich sauer sind. Erzählen Sie mir von den Kanalratten und Regelbrechern. Um wen handelt es sich?’….. ‚Eine Kanalratte schert sich weder um Regeln, noch respektiert sie die Sachen anderer. Ein Regelbrecher hält sich auch nicht an die Regeln, doch Regelübertreter machen sich auch noch über die Menschen lustig, die die Regeln beachten. Sie verspotten die Regeln. Sie machen sich über Menschen wie mich lustig – Regelhüter. Meine Freundin im College ging beispielsweise mit einem Typen aus, der der größte Regelbrecher aller Zeiten war. An irgendeinem Wochenende liehen wir uns am Strand einen Buggy aus. Auf dem Vermietungsplatz war ein Schild angebracht, auf dem stand: >Lassen Sie Ihre Hände und Füße nicht aus dem buggy hängen.< Kaum hatten wir den Parkplatz verlassen, schob er seinen fuß nach draueßen. Als ich sagte, er solle das unterlassen, lachte er: >Oh, die Füße nicht aus dem Buggy hängen lassen. Brené ist die Buggy-Polizei.< 10 Minuten später zerstrümmerte er sich den Knöcheln an einem Kantstein, und wir brachten fünf Stunden in der Notaufnahme des Krankenhauses zu. Alle hatten Mitleid mit ihm, nur ich nicht. Ich fand das daneben.‘ „

Ich konnte mich in vielen Beschreibungen und angebrachten Themen wiederfinden. Für mich war es eine Erleichterung zu lesen, dass sich auch andere Menschen enorm schwer tun, nach Verletzungen wieder aufzumachen, echte Nähe zuzulassen und darauf zu vertrauen, dass jeder versucht, sein Bestes zu geben, so wie ich. Und dass jeder auch mal Kanalratte und Regelbrecher für andere ist, so wie ich.

Geboren 1968, mittlerweile im Norden Deutschlands lebend, lernend, lehrend, schreibend, bin ich Lebenskünstlerin, Menschenliebhaberin und leidenschaftliche Gärtnerin...gesegnet mit Kindern, Katzen, Pferd und besonderen Menschen an meiner Seite...